Die letzten 13 Monate – Auswandern aus der Sicht von Jochen

Vor Kanada – der Umzug – in Kanada

[Die letzten 13 Monate aus der Sicht von Jochen]

 

Zwischen den Jahren nehme auch ich mir die Zeit das Geschäft ruhen zu lassen, zur Ruhe zu kommen, nachzudenken, das vergangene Jahr nochmals anzuschauen, dankbar zu sein und Ziele für das kommende Jahr zu stecken.

So ist es mir schon lange ein Bedürfnis meine Erfahrungen und Gedanken zusammen zu schreiben.

Angefangen vor 13 Monaten, als wir uns nach unzähligen hin und her Überlegungen, entschieden haben In Deutschland alles zu verkaufen, um nach Kanada zu ziehen.

Das war schon sehr lange ein Herzenswunsch.
Bei unserer Hochzeitsreise im Jahr 2011 hatten wir uns das Kanada Virus eingefangen.

 

Seit 2015 haben wir mit dem Gedanken gespielt nach Kanada zu gehen. Viele Überlegungen sind eingeflossen, hin und her, schlussendlich hat das Bauchgefühl entschieden. Schön, dass wir unserem Bauchgefühl immer mehr vertrauen. Es war genau der richtige Schritt!

 

Beim Haus Verkauf stellte sich die Frage ob mit Makler, oder ohne. Der Markt ist eher ein Verkäufermarkt, so entschieden wir uns im November das Haus selbst zu verkaufen.

Im Februar war es dann verkauft.

Gleichzeitig haben wir schon unsere Einreise nach Kanada geplant und die Flüge gebucht. Dazwischen war noch unser Urlaub auf Sardinien und meine Reha. Zu dem Zeitpunkt sah es so aus, als ob es ziemlich vollgepackt wäre.

Christine hat bereits im Dezember 2018 angefangen Kisten zu packen, auszusortieren und vorzubereiten. Da war ich noch beschäftigt mit Bildern fürs Exposé, Webseite erstellen zum Hausverkaufen, Anzeigen erstellen usw.

Parallel haben wir bereits angefangen Dinge bei Ebay Kleinanzeigen zu verkaufen. Die Ziegen waren bereits verkauft, ins Allgäu auf eine Alm.

 

So gingen die Wochen vorüber wie im Flug.

Fähre nach Sardinien

Da war schon Mai. Unser letzter „Urlaub außerhalb der Schulferien“ war da. Unsere Lieblings Insel im Mittelmeer, Sardinien zum dritten Mal. Dieses Mal mit Kindern.

Zusammengefasst war es wunderschön und gleichzeitig auch nicht ganz einfach zu entspannen, weil mir sehr bewusst war was noch alles zu erledigen ist.

Zwei Wochen vor der Abreise nach Sardinien bekam ich den Bescheid für die Reha. Direkt im Anschluss an den Urlaub geht es los.Lagune in Sardinien

So war ich von Mai bis Anfang Juli quasi nicht zuhause und konnte auch nichts organisieren. Christine ist wieder Mal über sich hinausgewachsen, um alles zu organisieren, zu packen, auszumisten, zu verkaufen. Wahnsinn, bin ich stolz auf meine Frau, das neben drei kleinen Kindern und Teilzeit Job. Ein klasse Weib!

Die Reha hat mir sichtlich gut getan. Hier durfte ich mit 41 Jahren lernen was man besser schon in der Schule lernen sollte. Einfache Zusammenhänge zwischen Stress/Belastungen, Dauerstress und Leistungsfähigkeit. Erklärbar in 3 Minuten und doch verändert es das Denken und Handeln fundamental!

Warum man solche Sachen wohl nicht in der Schule lernt (wie so vieles was wichtig ist)?

 

Wie auch immer, bin ich gestärkt aus der Reha gekommen. Einfach 4 Wochen lang sich um sich selbst kümmern und auf dem eigenen Körper hören, weg vom Stress – sehr zu empfehlen!

Das Ende der Reha rückt näher, damit auch unsere Abschiedsparty und der Abflug aus Deutschland.

Noch 4 Wochen bis zum Abflug.

Oh, und es gibt noch so viel was ich nicht erledigen konnte (und auch in 4 Wochen nicht mehr kann). So hatte ich mich voller Zuversicht angemeldet den Motoradführerschein noch zu machen. Mein Fahrlehrer ist extra für die Anmeldung in den Schwarzwald gefahren um sie gleich wieder mit zu nehmen. Danke Coppe!

Mir hat es nicht mal für die erste Fahrstunde gereicht.

 

Wir wollten unser zweites Auto verkaufen sobald ich wieder aus der Reha zurück bin.

Defeker Golf auf Abschlepper

Auf der Heimfahrt von der Reha ist der Golf doch tatsächlich auf der Autobahn bei Villingen-Schwenningen liegen geblieben. Lichtmaschine defekt. Autos merken doch wenn man sich trennen möchte?

Zum Glück habe ich einen Freund der in Villingen Schwenningen Hubschrauber fliegt. Nach einem kurzen Telefonat konnte er mich am Schrottplatz abholen. Danke Matze!

Mit einem Leihwagen geht es heim!

 

Die Abschiedsparty ist bereits am nächsten Tag. Rachad ist extra aus Beirut eingeflogen, um good bye zu sagen. Es fängt bereits an, dass ich mir Zeit für ein Abendessen freischaufeln muss, um mit ihm und seiner Frau Essen gehen zu können.

Die Kinderabschiedsparty ist am Freitag. Die Abschiedsparty für wirklich enge Freunde, am Samstag.

Beavers Hüpfburg

Am Freitag und Samstag morgen sind die Männer vom Umzugsunternehmen Veeser da und packen die sperrigeren Gegenstände in Karton. Alles wird sorgfältig umwickelt.

Wir machen uns immer noch Gedanken was passt alles in den Container, was können wir zur Not hier lassen, was muss unbedingt mit. Was wenn dies und jenes nicht mehr rein passt.

Am Montag packen 6 Männer von der Firma Veeser weiter. Bis alles fertig ist.

Am Dienstag morgen kommt der 40 Fuß Container, dann haben wir 3 Stunden um ihn voll zu beladen, bevor er auf die Reise nach Halifax geht.

40 Fuß container zwei LKW beim beladen von hausrat

Der LKW Fahrer hat es tatsächlich geschafft zu uns hoch zu fahren UND im Hof mit einem 40 Fuß Container umzudrehen. Hier ging es um Millimeter. Brutal was für fähige Menschen es gibt! Toll!

Die Männer vom Veeser packen alles in den Conatiner. Tetris für Fortgeschrittene. Jeder Platz wird voll genutzt, jede Lücke mit etwas befüllt. So haben wir am Schluß noch viel mehr Platz übrig als wir dachten und kommen nun in Stress, was nehmen wir zusätzlich noch mit.

leerer Container3/4 voller Umzugscontainer

Der Container ist auf der Reise. Es geht weiter ans Packen und Ausmisten. Es kommen zwei große Container. Wir bekommen erneut den 10m³ Restmüll Container bis oben hin voll. Alles darf jetzt aus dem Haus raus. Der Keller wir leer geräumt. Das Dach wird leer geräumt. Dann der obere Stock. Wir wohnen am Schluß nur noch im Erdgeschoss, alles andere ist sehr sauber raus geputzt.

So viel Zeug im Keller, im Anbau, im Haus, im Garten – ja irgendwie überall.

Die Tage vergehen so schnell.

Es gibt so wahnsinnig viel zu tun.

Wir bekommen nochmals wichtige Hilfe von Ellen mit der ganzen Familie, Danke dafür!

Gegen Schluss wird klar. Es gibt auch noch genug Behörden Gänge zu erledigen. Steuerunterlagen zum Steuerberater, Gewerbe ummelden und so vieles mehr! Zeitfresser, überall.

Es wird auch klar, dass wir nicht wie geplant bis zum Schluss im Haus bleiben können und es dann am selben Tag sauber übergeben.

So ziehen wir für eine Woche in ein Gästehaus nach Rißegg.

Den Autoverkauf haben wir bereits geregelt. So haben wir am Schluss zwei Tage kein Auto. Zum Glück bekommen wir das Auto von Ellen. Ich habe noch so viele Termine.

Dabei wollte ich noch Freunde treffen. Mich von meinen Kollegen und Notärzten verabschieden, mit meinen Freunden nochmal einen trinken gehen.

Schon vor 2 Wochen war es klar, dass wird nichts mehr. Schlicht keine Zeit. Ich arbeite nach Prioritäten ab was wichtig ist. Alles Andere regeln wir dann aus der Ferne.

Ein Tipp, wenn man in Deutschland abgemeldet ist, kann man kein Gewerbe ummelden. Also zuerst Gewerbe ummelden, dann abmelden. Das kostet mich zusätzliche Stunden.

 

Der Tag des Abflugs ist gekommen.

Ab hier gibt es bereits ganz viele tolle Berichte von Christine wie es uns in Canada ergeht und was wir erleben.

Gerne möchte ich hier noch ein paar allgemeine Dinge aus meiner Sicht ergänzen. In den einzelnen Berichten von Christine hatte ich – Ihr werdet es erraten – keine Zeit viel zu ergänzen.

 

Hier also einige eher „technische Anmerkungen“ für unsere Zeit in Canada.

 

Die ganze Sache mit der Arbeitsgenehmigung war anfangs kein großes Thema. Das sollte flutschen. Die ganzen Unterlagen, Übersetzungen ins Englische usw. hatten wir zusammen und es wurde von der Kanadischen AHK in Toronto gesagt, das sieht gut aus. Bis aller spätestens Juli ist die Arbeitsgenehmigung/Aufenthaltsgenehmigung da.

Das war sie eben nicht. So sind wir als Touristen eingereist.

Da der Conatiner jedoch auch unmittelbar mit uns ankam standen wir vor der Aufgabe diesen durch den Zoll zu bringen. Als temporary resident (mit Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung) wäre es einfach. Ein paar Stempel in Halifax bei der CBSA holen und gut ist.

Das sieht anders aus wenn man Tourist ist.

Hier wird der Inhalt genau aufgelistet (das wird er sowieso) und anhand des Wertes im Conatiner die Steuer berechnet. Ja, auf das was man einführt wird Steuer berechnet, 15 % HST. Der Beamte ist wirklich sehr nett und hilfsbereit, wir rechnen den Inhalt nochmals „in die richtige Richtung nach“. Dann sagt er, es werden 4138 Dollar an Steuer fällig, zahlbar sofort. Oho. Zum Glück habe ich Bargeld und zwei Kreditkarten dabei.

Die Kreditkarten sind in den letzten Wochen immer bis ans Limit genutzt worden. Es wird spannend.

Schlussendlich bekomme ich den Stempel und kann weiter fahren durch Halifax, nach Darmouth. Dort ist das Umzugsunternehmen. Gebe die Papiere ab und fahre wieder 90 Minuten heim.

In der ersten Woche war ich 3 mal in Halifax und habe auch hier in Lunenburg seeehr viel erledigt. Von Versicherungen für Auto, Haus, Haus Kaufen, Kanadischen Führerschein beantragen, Auto kaufen usw.

Der selbe Wahnsinn von Deutschland setzt sich die ersten zwei Wochen hier fort. So unendlich viele Termine. In einer anderen Sprache. Dann nicht nur ein unbedeutendes Pläuschchen, sondern vertragliche Dinge. Hui, das kostet Kraft. Ich muss mich mittags immer hinlegen.

Container ausladen, Möbel aufbauen, Einkaufen, Recherchieren, Telefonieren usw.

Es ist doch viel gewesen die letzten Wochen.

 

Die ersten Klienten werden ungehalten weil ich, nicht wie sonst, direkt erreichbar bin und antworte. E-mails bleiben auch mal eine Woche oder zwei unbeantwortet.

Hier hat sich einiges angestaut die letzten Wochen.

So muss ich jetzt dringend für ein paar Tage ins Büro. Das endet in 12 bis 15 Stunden Schichten im Büro. Das gefällt natürlich Christine und den Kids nicht besonders gut. Sie unternehmen oft alleine etwas, während ich bei schönstem Wetter im Büro sitze.

Naja, das hatte ich mir auch anders vorgestellt.

Jedoch das deutsche Unternehmen weiter führen, das kanadische im Hintergrund aufbauen. Den “Flaschenladen” weiter zu bedienen, auch Anfragen über Survivaltouren kommen vermehrt an.

Zudem darf ich für das kanadische Unternehmen hier in Kanada noch nicht arbeiten.

Das ist auch gut so. Es ist so viel Anderes zu tun!

So verbringe ich die meisten Tage wieder im Büro statt hier anzukommen und zu entspannen.

Die Arbeitserlaubnis beschäftigt mich weiterhin. Nun müssten wir ein Arbeitsmarktgutachten erstellen lassen um zu belegen, dass ich keinem Canadier einen Job wegnehme und mein Wissen hier gefragt ist. Dazu ruft die Sachbearbeiterin der Behörde an und befragt mich. Auf den Anruf hatte ich mich gut vorbereitet. Die letzten Jahre war ich wirklich nicht mehr aufgeregt vor einem Termin. Hier war ich es.

Wenn ich das verkacke bekommen wir das positive LMIA (Arbeitsmarktgutachten) nicht und wir dürfen nur 6 Monate im Land bleiben, als Touristen.

Ein sehr wichtiges Telefonat.

Wie bei den Kanadiern üblich verläuft das Gespräch sehr freundlich. Die Dame fragte mich komplett andere Sachen als erwartet. Wer versucht eine Geschichte zu erfinden wird spätestens hier auffliegen. Sie fragte mich Anfangs Sachen, die sie auf andere Weise (während des Gesprächs und am Schluss) nochmals fragte. Zuerst dachte ich, sag mal kapiert sie das nicht. Bis mir hinterher klar wurde. Sie hat meine Aussagen von verschiedenen Richtungen nochmals geprüft.

Am Schluß sagte sie, dass ich sehr gut englisch sprechen könnte und Ihre Entscheidung heute im Laufe des Tages fällt. Nun weiß ich was es heißt, auf heißen Kohlen zu sitzen. Ich bin extrem angespannt!

Am nächsten Morgen kam die Nachricht, dass es funktioniert hat. Ich habe ein positives LMIA für zwei Jahre. Juhuuuu!

Unsere Beraterin bei der AHK Toronto sagte, prima. Damit über die Grenze und wieder einreisen. Dann gibt es die Arbeitsgenehmigung.

So saßen wir ein paar Tage später im Auto. Unterwegs zur nächsten Grenze in New Brunswick. Hier wird das einen „turnaround the flagpole“ genannt. Die Grenzbeamten wissen was wir machen möchten. Der Grenzbeamte in den USA ist sehr freundlich. Nach 6 Std Autofahrt sind wir ziemlich geschafft. Auch die Kids.

Nun zurück zur Canadischen Grenze, Stempel holen und geschafft!

Beim Betreten des Grenzpostens schauen alle sehr freundlich, nur eine Frau nicht, die hat wohl schlechte Laune. Naja, wir möchten zu dem nett schauenden Officer, der verweist uns jedoch and die eben genannte Officerin.

Hier fängt es an unangenehm zu werden.

Von- LMIA herzeigen und Stempel bekommen sind wir weit entfernt. Die Dame fragt mich Löcher in den Bauch. Sachen die wir bereits mit über 100 Seiten bei der Behörde eingereicht hatten. Hier wurde ich vorgeführt wie ein dummer Schulbub. Fragen über Fragen. Ich stand an dem Schalter wie ein Depp. Die Kids sind mit Christine raus um zu spielen. Nach 1,5 Stunden Befragung, warten und wieder Befragung wird klar, Sie stellt uns die Arbeitspapiere nicht aus. Sie hat nicht alle Unterlagen um es abschließden prüfen zu können.

Bitte was?

Sie weiß meine Unterhosengröße inzwischen und stellt es nicht aus? Was ist jetzt los?

Sie wünscht mir viel Glück und schickt mich raus.

Immer schön freundlich bleiben. Ich bedanke mich und gehe absolut niedergeschlagen zu Christine und den Kids. Gerade ist eine Welt zusammengebrochen. Die ganze Strapaze der letzten Wochen und Monate ohne Erfolg?

Zumindest hat sie uns wieder ins Land gelassen. Das hätte auch anders laufen können. Es ist nicht unmöglich, dass man in so einem Fall nicht mehr einreisen darf. Ich möchte nur noch ins Motel und meine Ruhe. Bettdecke über den Kopf. Schlafen.

 

Unsere Beraterin bei der AHK Toronto ist etwas ratlos und hat so etwas auch noch nie erlebt. Nach weiteren Gesprächen wird klar. Wir kommen mit ihr nicht mehr weiter.

Inzwischen haben wir ein tolles Netzwerk von Freunden und Bekannten aufgebaut. Sehr viele davon aus der Waldorfgemeinschaft.

Wie der „Zufall“ so will bekommen wir einen Rechtsanwalt empfohlen der sich mit Immigration beschäftigt. Er wohnt nur 900 Meter von uns entfernt. So klein ist die Welt.

Auch er hat noch nicht gehört, dass jemandem an der Grenze jemals etwas ähnliches passiert ist. Er möchte sich der Sache annehmen. Hier wird schnell klar, dass ich nicht alle Info bekommen hatte zu dem vorherigen Prozess. So musste die Dame an der Grenze skeptisch sein, weil Sie die Historie gesehen hat. Die wir allerdings nicht wussten zu dieser Zeit!

Um die Geschichte abzukürzen.
Es ging noch eine ganze Weile hin und her.

Ich bin dann alleine nach Boston geflogen, um wieder einzureisen.

Alles war bestens geplant. Christine bringt mich zum Flughafen wenn die Kids in der Schule sind und holt mich wieder ab wenn sie in der Schule sind. Wunderbar, ich bleibe 2 Nächte und schaue Boston noch an.

Die Rechnung haben wir jedoch ohne das kanadische Wetter gemacht. Genau an dem Morgen gab es eine Wetterwarnung und die Schulen in Nova Scotia sind an dem Tag ausgefallen.

Ok, dann eben mit den Kids nach Halifax, wir wollten noch Winterkleidung kaufen.

Als wir dann am Flughafen ankamen sagte der Herr am Schalter, der Flug ist gecancelt. Er bucht mir den selben Flug für morgen.

Na super. Da haben die Mädels Kindifrei. Also klären wir ob sie ausnahmsweise doch in den Kindergarten dürfen und evtl. noch in die Aftercare. Es dauert dochschon ein wenig bis zum Flughafen und zurück. Auch da ist nicht sicher ob ich fliegen kann. Es ist eben doch Anfang Dezember und das Wetter unberechenbar.

Am morgen bekomme ich eine SMS, dass sich mein Flug verspätet und ich erst in 40 Minuten einchecken kann. Oho, bitte wie? Wie in 40 Minuten einchecken?

Naja, der nette Herr am Schalter hat mir den frühen Flug statt den späten gebucht. Das beschert mir 90 Minuten am Telefon um den Flug auf mittags umzubuchen.

Klappt!

Ich komme abends in Boston an. Im Hotel esse ich etwas und lege mich dann schlafen. Um 5.50 geht der Wecker, dann wieder zurück zum Flughafen und zurückfliegen.

Nix mit Erholung und Sightseeing!

Es ist ja für den guten Zweck. Die Arbeitserlaubnis/Aufenthaltsgenehmigung. Es wird jetzt dann schon etwas eng. Sonst müssen wir Anfang Februar wieder aus dem Land raus. As Tourist darf man 6 Monate hier bleiben, immerhin!

Der Anwalt hat mir einen großen Stapel Papiere gepackt, um mögliche Fragen des Grenzbeamten zu klären. Sollte ich ihn brauchen ist er telefonisch zu erreichen. Prima! Jetzt kann nichts mehr schief gehen.

Ein bisschen mulmiges Gefühl habe ich auf den zwei Stunden Rückflug dennoch. Was wenn es doch nicht klappt? “Was wenn” Fragen aufkommen. Ich besinne mich auf das Positive und so komme ich gut gelaunt in Halifax an.

Was ein Grund der Einreise sei fragte der Grenzbeamte. Stolz sagte ich, eine application for a Workpermit. Ok, dann hier entlang, eine Nummer ziehen und warten.

 

Vor mir wartet ebenfalls ein indisch aussehender Mann. Wir warten ca. 20 Minuten ohne dass etwas passiert. Dann ist der Mann vor mir dran. Drei Fragen des Grenzbeamten (der selbe von vorhin, er hat alle Fluggäste abgefertigt) und der Mann vor mir bekommt seine Workpermit ausgedruckt. Fertig. Wow, das ging schnell!

Dazwischen wurde ein Mann der in einem anderen Wartebereich saß weiter bedient. Hier wird klar, er wollte eine Workpermit und hat sie nicht bekommen. Er darf morgen früh in den ersten Flieger steigen und bekommt eine 6-monatige sperre zur Einreise.

Hoppla.

Ich bin dran.

Wieder beim selben Grenzbeamten der mich schon bei der Einreise bediente. Witzig.

Ich lege ihm stolz meine Papiere vor.

Als er große Augen bekam und fragte was das alles sei, erklärte ich ihm den ganzen Prozess bis heute. Christine wartet derweil in der Ankunftshalle, freudig mit einem großen Blatt auf dem ein Herz gemalt ist und Jochen drin steht.

wir beide

Gleich haben wir es geschafft. Juhu!

Der Beamte sagt, hoho, warte mal. Das ist ziemlich viel um es auf einmal zu überblicken. Er muss das erst prüfen. Klar sagte ich, kein Problem. Ob er meinen Anwalt anrufen möchte um das zu klären. Er schaute mich an und sagte, nein. ER müsse das klären da hilft der Anwalt nicht weiter.

Ich solle mich setzen.

Ok, das bin ich gewohnt. Nach 30 Minuten werde ich auch wieder etwas unruhig. Er ruft mich ein paar Mal und fragt etwas nach.

 

Dann geht es ans Eingemachte. Ich habe Empfehlungsschreiben bekommen von Klienten die mit mir hier in Kanada meine Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten. Ob ich die selber geschrieben hätte fragte er. Die sehen alle ähnlich aus und noch ein paar weitere Punkte bei denen er skeptisch ist.

So durfte ich auf meinem Smartphone die E-mails raussuchen. Bei mehreren Emailadressen und ca. 80 e-mails pro Tag eine gewisse Herausforderung, zudem der Akku auf 8% geschrumpft war (Ladekabel vergessen).

Gut, alles gefunden was der Officer sehen wollte. Er fasst Vertrauen und sagt das auch direkt.

Nun ist es Zeit mal mit dem Anwalt zu telefonieren.

Der machte mir Mut. Durchhalten, das klappt schon alles.

Der Grenzbeamte bespricht sich mit seinen Kollegen. Ruft mich ab und zu wieder zum Schlater. Recherchiert weiter. Es sind bereits 2,5 Stunden vergangen. Alle sind extrem angespannt. Ich hatte nur ein kleines Frühstück, es ist jetzt 15:00. Meine Anspannung ist zum Zerreißen, ich bin müde, habe Hunger und bin durstig.

Wenn das nicht klappt wird es eng. Alles was wir die letzten 12 Monate gemacht haben steht jetzt auf dem Spiel.

Ich habe mehrfach “die Unterhosen ausgezogen”, alles offengelegt. Von den Finanzen, bis hin zu jeder einzelnen Rechnung, beglaubigte Kopien, beglaubigte Übersetzungen, dies, das, jenes. Ein Wahnsinn.

Und der Beamte möchte immer noch mehr Sachen wissen.

Er ist super freundlich. Ich verstehe seine Situation auch.
Nur hilft mir das gerade nicht weiter.

Die Anspannung ist jetzt bereits über das Erträgliche gewachsen. Plötzlich schießen mir Tränen in die Augen. Es kommt hoch was sich die letzten Monate angestaut hatte. Der Beamte fragt ob alles gut sei, so schlimm sei es ja nicht. Er müsse sich nur alles durchschauen um zu entscheiden. Nach ein paar Minuten Auszeit und tiefen Atemzügen fange ich mich wieder.

Nach 3 Stunden endlich eine Ansage. Er kann es heute nicht alles sichten und braucht noch mehr Unterlagen, die er anfordert um eine Entscheidung treffen zu können. Ich solle in einer Woche wieder kommen. Am 12. Dezember, um 16 Uhr. Ich muß unterschreiben, dass ich nur unter Vorbehalt ins Land darf. Er machte mich auf die Passage aufmerksam, wenn ich am Donnerstag um 16 Uhr NICHT hier bin werden sie mich holen und einknasten.

Hoppla, nun wird es ja ruppig.

Wenigstens hat er den Fall nicht abgelehnt und gesagt, es soll die Interne Behörde prüfen. Und ich durfte wieder ins Land.
Beides ist nicht selbstverständlich!

Er gibt mir eine Liste mit, was er sehen möchte um eine Entscheidung zu treffen.

Ich habe die Schnauze gestrichen voll.

Ich drucke nun alles aus was ich habe. Es sind ca. 500 Seiten geworden. Der Ordner ist brechend voll. Nochmals passiert mir das nicht, dass nicht alle Informationen da sind.

Ich habe mich immer auf meine kostenpflichtigen Berater verlassen und jedes Mal war es zu wenig an Infos für die Grenzbeamten.

Mein Arbeitsmarktgutachten hat eine falsche Berufsbezeichnung.
So bekomme ich keine Arbeitsgenehmigung. In letzter Minute, kurz vor meine Abfahrt schickt mir die nette Dame von der Canadischen Regierung ein anderes Arbeitsmarktgutachten mit richtiger NOC Nummer zu. Herzlichen Dank! Das ging schnell und unbürokratisch!

Puh, gerade noch rechtzeitig!

Am 12.12. bin ich 30 Minuten früher da.

10 Minuten vorher gehe ich zum Office der CBSA. Diesmal von der anderen Seite aus, bisher konnte ich immer nur beim Grenzübertritt mit jemandem sprechen.
Meinen Anwalt habe ich gefragt ob er mitkommt. Er sagte, dass Anwälte draußen warten müssen. Das klären die Officer nur mit mir direkt.

Heute war es war ein anderer Officer wie letzte Woche. Er fragte mich ganz nett wie die Fahrt gewesen ist und hält etwas Small Talk. Wir haben einen guten Draht. Er zeigt mir was er alles durchgearbeitet hat und welche Unterlagen er noch sehen möchte.

Das sind genau 3 Seiten.

Die restlichen 497 Seiten möchte er gar nicht sehen.

Der nette Officer sagte, „ok jetzt passt alles zusammen, ich stelle Dir jetzt die Arbeitsgenehmigung aus“.

Ok, danke!

Ich stehe so unter Strom, dass ich zwar wahrnehme was er sagte mich daran aber nicht freuen kann.

Er liest mir meine Pflichten vor, das sind ziemlich viele. Dann sagt er, welcome to Canada, streckt mir seine Hand hin und lacht!

Auf der Heimfahrt ist ziemlich viel los, Feierabendverkehr.
Eine riesen Last ist von meinen Schultern abgefallen. Immer noch bin ich so extrem angespannt, dass ich mich noch nicht recht freuen kann.

Es sind heute exakt zwei Wochen vergangen seither. Noch immer steckt mir die Anspannung in den Knochen, es wird langsam besser.

Zudem haben wir festgestellt, dass unser Haus auf Dauer zu klein ist. So haben wir uns aufgemacht und eine Menge möglicher Häuser angeschaut. Die Kanadier bauen jedoch komplett anders als wir das gewöhnt sind. So ist es nicht ganz einfach ein passendes Haus zu finden. Größe, Heizung, Bauweise, Anzahl der Zimmer, Alter, Preis usw.
Gleichzeitig haben wir Bilder von unserem aktuellen Haus gemacht und das ok zum Verkaufen gegeben.
Langweilig wird es wirklich nicht!

in Lunenburg

fbt

Für das neue Jahr zeichnet sich jedoch schon etwas Tolles ab.

bald berichten wir mehr.

Wir hoffen ihr habt wunderschöne Tage zwischen den Jahren und wünschen einen gesunden und fröhlichen Start ins neue Jahr!